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Zum Thema Arbeitsrecht
- EuGH konkretisiert Richtlinie: Arbeitgeber müssen Kosten für Bildschirmarbeitsplatzbrille übernehmen
- Krank gefeiert - fristlos gekündigt: Eigener WhatsApp-Status verrät "Erkrankte" auf White-Night-Ibiza-Party
- Kündigungsschutzverfahren: Kein Anspruch auf Annahmeverzug ohne hinreichende Bewerbungsbemühungen
- Verfall des Urlaubs: BAG konkretisiert Urlaubsregelung bei Arbeitsunfähigkeit
- Vertrauen zerstört: Auch verbale Gewalt kann zu einer Kündigung führen
Dass der folgende Fall seinen Ursprung in Rumänien hat, aber dennoch hier Erwähnung findet, beweist, wie wichtig Arbeitnehmerbelange in der Europäischen Union sind. Denn nationale Vorschriften sind nur dann rechtens, wenn sie mit dem EU-Recht im Einklang stehen. Und um zu bewerten, ob ein Arbeitnehmer mit der Ablehnung einer Kostenübernahme durch seine Arbeitgeberin leben muss, musste der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ran.
Der betreffende Arbeitnehmer, seines Zeichens Mitarbeiter des Generalinspektorats im Amt für Einwanderung des Kreises Cluj, verlangte die Übernahme der Kosten für eine neue Korrekturbrille. Diese sei erforderlich geworden, weil sich sein Sehvermögen unter anderem auch aufgrund seiner Bildschirmarbeit verschlechtert habe. Die Arbeitgeberin lehnte die Kostenübernahme jedoch ab - und gegen diese Entscheidung seiner Arbeitgeberin klagte der Mann.
Das zuständige Regionalgericht setzte das Verfahren aus und fragte beim EuGH nach, wie die Richtlinie 90/270/EWG über Mindestvorschriften hinsichtlich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten auszulegen sei. Und der EuGH antwortete, dass diese Richtlinie zu "speziellen Sehhilfen" Korrekturbrillen mit einschließe, die spezifisch darauf gerichtet seien, Sehbeschwerden im Zusammenhang mit einer Arbeit, bei der ein Bildschirm involviert ist, zu korrigieren und diesen vorzubeugen. Die Sehbeschwerden müssen zwar bei Untersuchungen festgestellt worden sein, um einen Anspruch auf Bereitstellung einer speziellen Sehhilfe entstehen zu lassen - das Interessante ist aber, dass die Bildschirmarbeit dabei nicht unbedingt die Ursache für diese Beschwerden sein muss. Ebenso wenig sei es Bedingung, dass die Sehhilfe nur beruflich genutzt werden dürfe. Denn, so der EuGH, sehe die Regelung "keine Beschränkung in Bezug auf die Verwendung dieser Sehhilfen vor". Es ist schlicht und ergreifend Pflicht des Arbeitgebers, eine entsprechende Bildschirmarbeitsplatzbrille zur Verfügung zu stellen.
Hinweis: Der Arbeitgeber kann seiner Pflicht dadurch nachkommen, indem er dem Arbeitnehmer die Brille entweder unmittelbar zur Verfügung stellt oder ihm die von ihm getätigten Aufwendungen erstattet.
Quelle: EuGH, Urt. v. 22.12.2022 - C-392/21
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(aus: Ausgabe 03/2023)
Wer arbeitet, darf auch feiern. Dass es sich bei dieser Form der Selbstbelohnung aber umgekehrt so verhält, dass man das Zweite besser unterlassen sollte, wenn man das Erste nicht erbringen kann, zeigt der folgende Fall des Arbeitsgerichts Siegburg (ArbG).
Eine Pflegeassistentin war für ein Wochenende zum Spätdienst eingeteilt. Für die Dienste meldete sie sich bei ihrer Arbeitgeberin arbeitsunfähig krank. In der Nacht von Samstag auf Sonntag fand dann eine "White-Night-Ibiza-Party" statt. Und bei eben diesem Event wurden Fotos gemacht - auch von der feiernden Pflegeassistentin. Diese landeten nicht nur auf der Homepage des Partyveranstalters, sondern auch im persönlichen WhatsApp-Status der Pflegekraft. Die Arbeitgeberin sprach daraufhin die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Dagegen klagte die Arbeitnehmerin.
Das ArbG gab jedoch der Arbeitgeberin Recht und wies die Kündigungsschutzklage ab, denn die Arbeitnehmerin habe ihre Erkrankung nur vorgetäuscht und damit das für den Bestand des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen zerstört.
Hinweis: Zwar muss ein Arbeitnehmer während einer Krankheit nicht unbedingt zu Hause bleiben - allerdings muss er alles unterlassen, was einer Wiederherstellung der Gesundheit zuwiderläuft.
Quelle: ArbG Siegburg, Urt. v. 16.12.2022 - 5 Ca 1200/22
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(aus: Ausgabe 03/2023)
Wenn ein Arbeitnehmer eine Kündigung erhält, wird häufig dagegen eine Kündigungsschutzklage eingereicht. Wird diese Klage gewonnen, hat der Arbeitgeber ihn wieder einzustellen und den gesamten Lohn nachzuzahlen. Dieser Lohn wird dann auch Annahmeverzugslohn genannt. Doch ganz so einfach geht es nicht mehr, wie der folgende Fall des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (LAG) beweist.
Ein Arbeitgeber hatte einem Arbeitnehmer gekündigt, die darauffolgenden Rechtsstreitigkeiten zogen sich über vier Jahre hin. In dieser Zeit hatte der Gekündigte nicht gearbeitet und somit auch kein Gehalt erhalten. Als der Arbeitnehmer den Rechtsstreit schließlich gewann, musste er folglich auch wieder eingestellt werden. Er verlangte deshalb von seinem Arbeitgeber die ausstehenden Gehaltszahlungen als Annahmeverzugslohn, was der Arbeitgeber verweigerte. Schließlich klagte er die Zahlungen in einem weiteren Verfahren ein. Nach § 11 Kündigungsschutzgesetz muss der Mitarbeiter sich auf den Annahmeverzugslohn anrechnen lassen, was er anderweitig verdient hat oder was er hätte verdienen können, wenn er eine ihm zumutbare Stelle angenommen hätte. Deshalb verlangte nun der Arbeitgeber vom Mitarbeiter Auskunft über die ihm gemachten Vermittlungsvorschläge der Arbeitsagentur bzw. des Jobcenters und was daraus geworden war. Der Arbeitnehmer gab die Antwort, und den 23 Vermittlungsvorschlägen standen nur wenige und zudem unzureichende Bewerbungen gegenüber.
Hier war das LAG hart: Unter den gegebenen Voraussetzungen musste der Arbeitgeber den Annahmeverzug nicht bezahlen, da sich der Mitarbeiter nicht ernsthaft um eine neue Stelle bemüht hatte. Der Mann erhielt somit auch kein Geld, sondern musste "lediglich" wieder eingestellt werden.
Hinweis: Arbeitnehmer sollten also in vergleichbaren Fällen die nach dem Ablauf der Kündigungsfrist erhaltenen Angebote der Bundesagentur für Arbeit und die Bewerbungen aufbewahren und vorlegen können.
Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.09.2022 - 6 Sa 280/22
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(aus: Ausgabe 03/2023)
In diesem Fall ging es um die Frage, ob ein Urlaubsanspruch verfällt, wenn ein Arbeitnehmer in dem Jahr, aus dem er noch Urlaubsansprüche geltend macht, gearbeitet hat und nicht nur krank war. Das letzte Wort hatte hier erst das Bundesarbeitsgericht (BAG).
Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer konnte in der Zeit von Dezember 2014 bis August 2019 wegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit seine Arbeitsleistung nicht erbringen und deshalb auch den ihm zustehenden Urlaub nicht nehmen. Nun meinte er, ihm stünde noch Resturlaub aus dem Jahr 2014 zu. Dieser sei nicht verfallen, da der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen sei.
Das BAG entschied kürzlich, dass Urlaubsansprüche grundsätzlich nur dann am Ende eines Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zuvor die Möglichkeit gegeben hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Zudem muss er seinen Arbeitnehmer ausdrücklich darauf hinweisen und auffordern, den ausstehenden Urlaub zu nehmen. Der Arbeitnehmer muss den Urlaub also aus freien Stücken trotz entsprechender Aufforderungen nicht genommen haben. Das BAG stellte zudem fest, dass Besonderheiten bestehen, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen konnte.
Bis vor Kurzem gingen die gesetzlichen Urlaubsansprüche in einem solchen Fall bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit nach 15-monatiger Frist unter. Nach der neueren Rechtsprechung verfällt der Urlaubsanspruch weiterhin nach der 15-Monatsfrist, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahr aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. In einem solchen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen im Hinblick auf entsprechende Hinweise nachkommt. Denn in diesem Fall hätte der Arbeitgeber nichts dazu beitragen können, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub tatsächlich nimmt.
Anders sieht es allerdings in Fällen wie diesem hier aus, wenn der Arbeitnehmer in dem entsprechenden Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er arbeitsunfähig erkrankte. In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber den Beschäftigten auf die Inanspruchnahme des Erholungsurlaubs hinzuweisen und darauf hinzuwirken, dass dieser ihn nimmt. Da der Arbeitgeber diese Mitwirkungspflichten hier außer Acht gelassen hatte, führte das hier dazu, dass dem Arbeitnehmer der Urlaub aus dem Jahr 2014 weiterhin zustand.
Hinweis: Resturlaubsansprüche verjähren nur noch dann, wenn der Arbeitgeber auf den Verfall ausdrücklich und nachweisbar hingewiesen hat.
Quelle: BAG, Urt. v. 20.12.2022 - 9 AZR 245/19
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(aus: Ausgabe 03/2023)
Wer seine Aggressionen nicht im Griff hat, muss mit weitreichenden Konsequenzen rechnen. So droht auch eine Kündigung, wenn es am Arbeitsplatz zu Gewalttätigkeiten oder deren Androhung kommt. Wie es sich verhält, wenn es zu herablassenden und aggressiven Verbalattacken, dabei aber nicht zu Handgreiflichkeiten kommt, musste kürzlich das Verwaltungsgericht Mainz (VG) klären.
Ein Hochschullehrer hatte an seine Kollegen und Vorgesetzten seit mehreren Monaten aggressive und herablassende E-Mails gesendet. Im Gespräch erlebte man ihn verwirrt und sprunghaft und befürchtete teilweise, dass die verbalen Angriffe in physische Gewalt umschlagen. Die Hochschule als Arbeitgeber stellte ihn deshalb von der Arbeit frei und verbot ihm das Betreten der Hochschule. Der Hochschullehrer wollte sich das nicht bieten lassen und zog mit einem Eilantrag vor das hierfür zuständige VG.
Die aggressiven und herablassenden Äußerungen konnten jedoch durch zahlreiche E-Mails nachgewiesen werden. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit war somit auch nach Ansicht der VG-Richter nicht mehr möglich. Außerdem bestand die Gefahr, dass der Hochschullehrer seine Äußerungen auf den Kreis der Studenten ausweiten würde. Auch wenn das Verhalten des Professors möglicherweise auf einer Erkrankung beruhe, müssen Kollegen und Vorgesetzte vor weiteren Angriffen geschützt werden. Das Arbeits- und Betretungsverbot war deshalb zumindest so lange gerechtfertigt, bis geklärt ist, ob eine Erkrankung vorliege und wie damit umzugehen sei.
Hinweis: Tätlichkeiten am Arbeitsplatz führen fast immer zu einer Kündigung. Das Arbeitsverhältnis kann allerdings auch bereits durch verbale Gewalt gefährdet sein. Aggressionen haben am Arbeitsplatz nichts zu suchen.
Quelle: VG Mainz, Beschl. v. 20.12.2022 - 4 L 682/22.MZ
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(aus: Ausgabe 03/2023)