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Zum Thema Arbeitsrecht
- Hygienekonzepte in Coronazeiten: Betriebsrat hat Mitbestimmungsrecht über Schutzmaßnahmen zur Verhütung von Gesundheitsschäden
- Kein Gesichtsvisier statt MNS: Flugsicherheitsassistentin muss angeordneter Infektionsschutzmaßnahme des Arbeitgebers nachkommen
- Kündigungsschutzklage abgewiesen: Kündigung nach Diebstahl von Desinfektionsmittel ist auch ohne vorherige Abmahnung rechtens
- Mangel an Beweisen: LAG weist Kündigung wegen Nutzung des Dienstfahrzeugs und Arbeitszeitbetrugs zurück
- Selbstverursachte Lieferengpässe: Sondersituationen als Voraussetzung für Sonntagsarbeit muss außerbetriebliche Gründe haben
In vielen Betrieben sind Hygienekonzepte zum Schutz vor Corona überlebenswichtig - in einem Krankenhaus nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allem wörtlich gesehen. Doch inwieweit bei der Verabschiedung eines solchen Konzepts der Betriebsrat mitbestimmungsberechtigt ist, musste das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) entscheiden.
Ein Krankenhaus hatte wegen der Coronapandemie ein System zur Dokumentation von Zutritt und Aufenthalt betriebsfremder Personen auf dem Klinikgelände eingeführt. Den Betriebsrat hatte es dabei nicht beteiligt. Deshalb beantragte dieser beim zuständigen Arbeitsgericht (AG) die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Regelung des Besucherkonzepts. Als das AG eine solche Einigungsstelle tatsächlich einsetzte, wollte sich das Krankenhaus damit nicht zufriedengeben - es schaltete das LAG ein.
Die Einigungsstelle war in den Augen des LAG jedoch durchaus zu Recht eingesetzt worden. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz bezieht sich auf Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verhütung von Gesundheitsschäden, die Rahmenvorschriften konkretisieren. Genau eine solche Rahmenvorschrift, die auch den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezweckt, stellt die Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen dar.
Hinweis: Entscheidet sich ein Arbeitgeber für die Zulassung von Besuchern, trifft ihn auch die entsprechende Verpflichtung zum Gesundheitsschutz gegenüber seinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Für die Umsetzung der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts besteht ein Gestaltungsspielraum - und genau dieser eröffnet das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
Quelle: LAG Köln, Beschl. v. 22.01.2021 - 9 TaBV 58/20
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Selbstverständlich sind die ständig wechselnden coronabedingten Anordnungen manchmal zum Haareraufen. Dass jedoch die meisten durchaus sinnvoll sind, beweist der folgende Fall des Arbeitsgerichts Berlin (ArbG), der sich um die Verpflichtung des Arbeitgebers drehte, einen Mund-Nasen-Schutz (MNS) bei der Arbeit zu tragen.
Eine Flugsicherheitsassistentin hatte geltend gemacht, bei ihrer Arbeit am Flughafen statt eines MNS einen Gesichtsschutzschirm tragen zu dürfen, der in dieser Pandemiephase noch vielerorts zu sehen war. Dennoch lehnten die Richter des ArbG diese Schutzvariante hier ab.
Den Arbeitgeber trifft die Pflicht, sowohl seine Beschäftigten als auch das Publikum am Flughafen vor Infektionen zu schützen. Das begehrte Gesichtsvisier war für den Schutz Dritter jedoch nachweislich weniger geeignet als der vorgeschriebene MNS. Dass der Arbeitnehmerin das Tragen eines MNS aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar sei, hatte sie den Richtern nicht glaubhaft machen können. Da Flugsicherheitsassistenten für die Durchführung der Passagier- und Gepäckkontrollen, die Bedienung von Sicherheitstechnik und insgesamt die Umsetzung der Luftsicherheitsstandards zuständig sind, kommen sie bei diesen Tätigkeiten naturgemäß häufig und nahe mit anderen Menschen in Kontakt. Und ein Gesichtsvisier kann diesen hohen Schutzanforderungen nachweislich nicht Genüge tun.
Hinweis: In aller Regel wird also momentan(!) eine Anordnung zum Tragen eines MNS auf der Arbeit rechtmäßig sein. Warten wir ab, wie sich die Pandemielage weiterhin entwickelt.
Quelle: ArbG Berlin, Urt. v. 15.10.2020 - 42 Ga 13034/20
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Ob der Fall des Pfandbons oder der eines Brötchens - es sollte allgemein bekannt sein, dass auch der geringfügige Diebstahl eben ein Diebstahl ist, der zu einer fristlosen Kündigung führen kann. Mit der dringenden Notwendigkeit von Desinfektionsmitteln ist dem Reigen von zu entwendenden "Kleinigkeiten" ein weiteres Objekt der Begierde hinzugekommen, über dessen Entwendung hier das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) zu entscheiden hatte.
Ein Arbeitnehmer war seit 2004 bei einem Paketzustellunternehmen als Be- und Entlader sowie Wäscher für die Fahrzeuge beschäftigt. Bei einer stichprobenartigen Ausfahrtkontrolle im März 2020 fand der Werkschutz im Kofferraum des Mannes eine nicht angebrochene Plastikflasche mit einem Liter Desinfektionsmittel sowie eine Handtuchrolle. Der Wert des Desinfektionsmittels betrug zum damaligen Zeitpunkt 40 EUR. Wegen des vermeintlichen Diebstahls erhielt der Arbeitnehmer eine fristlose Kündigung, gegen die er vor dem Arbeitsgericht vorging. Der Arbeitnehmer meinte, er habe sich während der Arbeit jede Stunde zu seinem Fahrzeug begeben, um die Hände zu desinfizieren und abzutrocknen. Bei der Ausfahrt habe er an die Sachen im Kofferraum einfach nur nicht mehr gedacht.
Doch das LAG hat die Kündigungsschutzklage des Mannes in zweiter Instanz abgewiesen. Seiner Auffassung nach lag nämlich durchaus ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung vor. Die Einlassungen des Arbeitnehmers waren in den Ohren der Richter schlichtweg nicht glaubhaft. Selbst eine vorherige Abmahnung war in diesem Fall nicht erforderlich gewesen.
Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 14.01.2021 - 5 Sa 483/20
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Über den Einsatz von Dienstwagen und deren Nutzung über das Berufliche hinaus gab es schon reichlich Streit. Dass Arbeitnehmer bei der Nutzung von Dienstfahrzeugen besonders aufpassen sollten, beweist auch dieser Fall des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (LAG). Denn bei diesem Thema kann es schneller zu einer Kündigung kommen als gedacht, und hier hatte der Angestellte einfach Glück. Lesen Sie, warum.
Ein Arbeitnehmer war seit 1984 als Energieanlagenelektroniker im Außendienst im Bereich der Stromzählermontage bei einem Netzbetreiber beschäftigt. Er war tariflich ordentlich unkündbar. Für seine Tätigkeit hatte ihm seine Arbeitgeberin ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt, dessen private Nutzung sie jedoch untersagt hatte. Die Arbeitgeberin warf dem Mitarbeiter schließlich nach einer Auswertung des elektronischen Fahrtenbuchs unerlaubte Privatfahrten und damit einen Arbeitszeitbetrug vor. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Dagegen klagte der Arbeitnehmer - durchaus mit Erfolg.
Soweit die Arbeitgeberin ihm überzogene Pausen aufgrund von Standzeiten des Fahrzeugs nach der regulären Pausenzeit vorgeworfen hatte, konnte sie keinen Kündigungsgrund nachweisen. Denn der Arbeitnehmer hatte diesen Umstand damit erklärt, dass er in dieser Zeit vorbereitend die Schrauben der Zählerplatten für die Montage nachgezogen hatte. Dass der Arbeitnehmer mit dem Dienstfahrzeug seine Wohnung aufgesucht hatte, war für das LAG auch kein Kündigungsgrund - denn es blieb offen, ob ihm dies ein Vorgesetzter für Toilettengänge wegen einer Erkrankung gestattet hatte. Es handelte sich stets nur um einen kleinen Umweg. Die lange beanstandungsfreie Beschäftigungszeit und der nur kurze Aufenthalt zu Hause sprachen in den Augen der LAG-Richter daher hier für den Mitarbeiter.
Hinweis: Aus Arbeitgebersicht sind viele Urteile der Arbeitsgerichte kaum nachvollziehbar. Aber so ist das nun einmal: Das Arbeitsrecht ist in seinem eigentlichen Sinne ein Arbeitnehmerschutzrecht.
Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2020 - 6 Sa 522/20
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Ein Unternehmen darf unter bestimmten Gesichtspunkten eine ausnahmebedingte Sonntagsarbeit anordnen. Doch Vorsicht: Wer sich als Unternehmer mit Kundenversprechen zu weit aus dem Fenster lehnt, für den gilt die Ausnahme der Ausnahmen. Doch lesen Sie selbst, was und warum das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im folgenden Fall entscheiden hat.
Ein Onlineversandhandel hatte die Bewilligung von Sonntagsarbeit für 800 Arbeitnehmer an zwei Adventssonntagen bei der zuständigen Behörde beantragt. Ohne die Sonntagsarbeit drohte ein Überhang von 500.000 Bestellungen bis Weihnachten. Als die Behörde die Sonntagsarbeit genehmigte, zog eine Gewerkschaft dagegen vor Gericht.
Das BVerwG urteilte, dass nach dem Arbeitszeitgesetz die zuständige Behörde an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen die Beschäftigung von Arbeitnehmern durchaus bewilligen kann, sofern besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens diese erfordern. Besondere Verhältnisse sind vorübergehende Sondersituationen, die eine außerbetriebliche Ursache haben. Sie dürfen also nicht vom Arbeitgeber selbst geschaffen worden sein. Doch hier war der Bedarf für die beantragte Sonntagsarbeit auf auf eben solche innerbetrieblichen Umstände zurückzuführen. Denn - und jetzt wird es interessant und entscheidend! - die Lieferengpässe wurden durch die kurz vor dem Weihnachtsgeschäft eingeführte Zusage kostenloser Lieferung am Tag der Bestellung verstärkt. Deshalb musste das Gericht hier auch erst gar nicht darüber entscheiden, ob allein schon saisonbedingt ein erhöhter Auftragseingang eine Sondersituation darstelle, die eine Bewilligung von Sonntagsarbeit rechtfertigen könne.
Hinweis: Möchte ein Unternehmen einmal Sonntagsarbeit einführen, können diese Ausführungen des BVerwG helfen.
Quelle: BVerwG, Urt. v. 27.01.2021 - 8 C 3.20
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)