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Zum Thema Verkehrsrecht
- 75%ige Haftung: Ein Halteverbot an Bushaltestellen erstreckt sich auch auf den angrenzenden Seitenstreifen
- Auffällige Fahranfängerin: Die Anordnung eines Aufbauseminars ist auch nach Ablauf der Probezeit rechtens
- Mobiles Halteverbotsschild: Wer dem Anscheinsbeweis widersprechen will, braucht stichhaltige Beweise
- Nicht bewiesener Stillstand: Mitverschulden an Kollision beim Rückwärtsfahren aus Parkplatz
- Selbst nach Fachreparatur: Gebrauchtwagenhändler muss ungefragt auf bekannte Mängel oder frühere Unfallschäden hinweisen
Rein menschlich kann man Falschparken bei der Kombination aus Eile und mangelndem Parkraum womöglich noch nachvollziehen. Dass man rechtlich jedoch schnell den Holzweg einschlagen kann, wenn man bei einer aufgrund eines Parkverstoßes erfolgten Beschädigung seines Fahrzeugs auch noch Schadensersatz einfordert, zeigt das folgende Urteil des Landgerichts Saarbrücken (LG).
Eine Autofahrerin parkte mit ihrem Fahrzeug auf dem Gehweg im Bereich einer mit Haltstellenzeichen ausgewiesenen Bushaltestelle. Ein Linienbus hatte an der Haltestelle angehalten und berührte den Pkw beim Versuch, aus der Haltestelle auszufahren. Die Fahrerin des geparkten Fahrzeugs forderte daraufhin Schadensersatz von der gegnerischen Haftpflichtversicherung. Sie war der Ansicht, dass der Busfahrer den Schaden allein verursacht habe, da das Fahrzeug nicht im Bereich der Haltestelle abgestellt gewesen sei, sondern auf dem Gehweg. Doch auch hier befand sich die Frau auf dem Irrweg.
Das verbotswidrig auf dem Gehweg neben der Bushaltestelle abgestellte Fahrzeug stellte nach Auffassung des LG nämlich ein Hindernis im öffentlichen Verkehrsraum dar. Die damit einhergehende Gefahr einer Kollision anderer Verkehrsteilnehmer habe sich durch den die Bushaltestelle verlassenden Linienbus verwirklicht, so dass die Haftung der Autofahrerin gegeben ist. Zudem lag ein Verstoß gegen das Parkverbot innerhalb einer Strecke von 15 Metern vor und hinter einer Bushaltestelle vor. Zwar dient das Zeichen 224 in erster Linie dem Zweck, die Fahrbahn der Haltestelle für das öffentliche Verkehrsmittel freizuhalten, um diesem ein ungehindertes An- und Abfahren zu ermöglichen. Es bezieht sich allerdings auch auf den Seitenstreifen, um das unbeeinträchtigte Ein- und Aussteigen von Fahrgästen zu gewährleisten. Zudem muss der Bereich neben den Haltebuchten auch deshalb freigehalten werden, da beispielsweise Gelenkbusse Überhänge haben, die beim Ein- und Ausfahren erfahrungsgemäß über die Bordsteinkante hinausragen können. Das LG sah daher eine Haftung von 75 % zu Lasten der Klägerin als angemessen an.
Hinweis: Der Unfall war für die Pkw-Fahrerin auch nicht unabwendbar. Denn unabwendbar ist ein Unfall nur dann, wenn es auch durch äußerste Sorgfalt - gemessen an den Anforderungen eines Idealfahrers - nicht hätte vermieden werden können. Eine Haftung von 75 % zu Lasten der Pkw-Fahrerin ist hier daher angemessen.
Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 13.11.2020 - 13 S 92/20
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Im Folgenden musste das Verwaltungsgericht Koblenz (VG) über die Frage entscheiden, ob die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar für Fahranfänger nach Ablauf der Probezeit auch dann rechtmäßig ist, wenn zwischen einem Verkehrsverstoß und der behördlichen Maßnahme ein längerer Zeitraum liegt, in dem der Betroffene beanstandungsfrei am Straßenverkehr teilgenommen hat.
Eine Fahranfängerin wurde innerhalb ihrer Probezeit mit zwei schwerwiegenden Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr auffällig. Diese Verkehrsverstöße wurden zunächst jeweils mit Bußgeldern und der Eintragung von Punkten im Fahreignungsregister geahndet - erst, nachdem die Probezeit abgelaufen war, ordnete die zuständige Fahrerlaubnisbehörde die Teilnahme an einem Aufbauseminar an. Dies akzeptierte die Frau jedoch nicht und argumentierte, der mit einem Aufbauseminar verfolgte Zweck, Defizite bei noch jungen Fahrern zu beseitigen, greife nur dann, wenn die Maßnahme zeitnah ergriffen werde. Dies sah das VG anders.
Das Gesetz lasse die Anordnung der Teilnahme an einem Aufbauseminar nach Ablauf der Probezeit ausdrücklich zu. Aus diesem Grund sei sie auch dann noch zulässig, wenn seit der letzten Zuwiderhandlung eine längere beanstandungsfreie Zeit verstrichen sei.
Hinweis: Sinn und Zweck eines Aufbauseminars ist, Fahranfänger zu einem verkehrsordnungsgemäßen Verhalten anzuhalten. Gründe der Verhältnismäßigkeit erfordern zwar eine maximale zeitliche Grenze für den Zeitraum zwischen der begangenen Zuwiderhandlung und der behördlichen Anordnung. Ob man bei der Anordnung des Aufbauseminars pauschal auf einen Zeitraum von zwei Jahren oder auf die Tilgungsreife der Tat im Fahreignungsregister abstellt, konnte hingegen offenbleiben. Beide Ansichten führten im hier entschiedenen Fall dazu, dass die behördliche Anordnung rechtmäßig war. Denn die letzte Zuwiderhandlung hatte nur 15 Monate zurückgelegen, und auch die Tilgungsreife der im Fahreignungsregister eingetragenen Taten war noch nicht eingetreten.
Quelle: VG Koblenz, Urt. v. 14.12.2020 - 4 K 612/20.KO
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Ein "Hab’ ich nicht gesehen!" ist bei einem Verstoß gegen ein Halteverbot wohl die beliebteste Ausrede. Dass ein solcher Vortrag jedoch nur bei eindeutigen Beweisen vor Gericht standhalten kann, zeigt das folgende Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (VG), das sich um ein mobiles Halteverbotsschild drehte.
Im Juni 2019 wurde in einer Stadt in Nordrhein-Westfalen ein Pkw abgeschleppt, da dieser im mobilen absoluten Halteverbot stand. Nachfolgend erging gegen den Halter des Fahrzeugs ein Kostenbescheid. Dagegen klagte der Mann und gab an, ein mobiles Halteverbotsschild nicht gesehen zu haben. Jedoch konnte nachgewiesen werden, dass das Schild sechs Tage vor dem Abschleppvorgang aufgestellt wurde und zum Zeitpunkt des Abschleppens noch aufgestellt war. Der Fahrzeughalter parkte sein Fahrzeug also nachweislich innerhalb dieses Zeitfensters.
Entsprechend erging der Kostenbescheid nach Auffassung des VG rechtmäßig. Steht fest, dass ein mobiles Halteverbotsschild aufgestellt wurde und es zum Zeitpunkt des Abschleppvorgangs noch aufgestellt war, spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass es ununterbrochen anwesend und wahrnehmbar war. Nach der Lebenserfahrung werden Schilder in der Regel nicht von Unbefugten versetzt oder gar entfernt. In Bezug auf Einschränkungen des Parkens und Haltens ist ein Verkehrsteilnehmer daher grundsätzlich verpflichtet, sich nach etwa vorhandenen Verkehrszeichen mit Sorgfalt umzusehen und sich über den örtlichen und zeitlichen Geltungsbereich eines (mobilen) Haltverbotsschilds zu informieren. Dabei muss er stets den leicht einsehbaren Nahbereich auf das Vorhandensein verkehrsrechtlicher Regelungen überprüfen, bevor er sein Fahrzeug endgültig abstellt.
Hinweis: Der geltende Anscheinsbeweis kann nur widerlegt werden, wenn Tatsachen vorgebracht werden, die eine ernsthafte und naheliegende Möglichkeit eines atypischen Verlaufs begründen.
Quelle: VG Düsseldorf, Urt. v. 06.10.2020 - 14 K 6187/19
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Parkplätze bergen für Verkehrsteilnehmer ganz eigene Tücken. Besonders das rückwärtige Ein- und Ausfahren aus den vorgesehenen Plätzen ist dabei nicht ohne. So musste das Landgericht Saarbrücken (LG) im Folgenden bewerten, ob und ab wann ein angeblich vorzeitiges Bremsen den einen von zwei beteiligten Autofahrern von der Haftung nach einer Kollision befreit.
Zwei Verkehrsteilnehmer wollten rückwärts aus ihren gegenüberliegenden Parklücken ausparken und in den Fließverkehr einfädeln. Dabei kam es zur Kollision. Beide Beteiligten forderten schließlich Schadensersatz von den jeweils zuständigen Haftpflichtversicherungen. Ein Beteiligter forderte den Ersatz der gesamten Schadenssumme und behauptete, zum Zeitpunkt der Kollision bereits gestanden zu haben. Daher sei ihm kein Mitverschulden an dem Unfall anzulasten. Vielmehr sei der andere aufgrund einer Unaufmerksamkeit auf sein stehendes Fahrzeug aufgefahren und hafte somit allein. Doch dessen Versicherung wollte lediglich 50 % des Schadens übernehmen.
In den Augen des LG konnte jedoch der bei einer Kollision beim Rückwärtsfahren geltende Anscheinsbeweis nicht erschüttert werden, dass die Kollision aufgrund einer beiderseitigen Unaufmerksamkeit entstanden sei. Selbst wenn man unterstelle, dass das eine Fahrzeug gestanden habe, sei es nicht mehr aufklärbar gewesen, wann der Stillstand erfolgt sei. Um den Anscheinsbeweis zu erschüttern, müsse feststehen, dass das Abbremsen so rechtzeitig erfolgt sei, dass der andere Verkehrsteilnehmer dies hätte erkennen können, um auf die neue Situation zu reagieren. Ein sehr enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Stillstand und Kollision lege es jedoch nahe, dass das Abbremsen so kurz vor dem Unfall erfolgte, dass der andere Beteiligte nicht mehr reagieren konnte. Die Haftungsteilung sei in einem solchen Fall daher angemessen.
Hinweis: In der Rechtsprechung ist folgender Grundsatz anerkannt: Kollidieren zwei jeweils rückwärts ausparkende Fahrzeuge auf einem Parkplatz, berechtigt allein der Umstand, dass einer der beiden Pkw in einem nicht näher einzugrenzenden Zeitpunkt vor dem Zusammenstoß zum Stehen gekommen war, nicht zur Annahme eines unabwendbaren Ereignisses. Somit tritt die Betriebsgefahr dieses Pkw im Einzelfall nicht schon allein wegen des vorkollisionären Stillstands zurück.
Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 13.11.2020 - 13 S 27/20
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)
Gebrauchtwagenkäufe gelten als wirtschaftlich cleverere Variante gegenüber einem Neuwagenerwerb. Dennoch sind die Stolperfallen dabei nicht unerheblich. So musste das Landgericht Coburg (LG) im Folgenden klarstellen, ob ein Gebrauchtwagenverkäufer ungefragt auf bekannte Mängel oder Unfallschäden durch den Vorbesitzer hinweisen muss, selbst wenn der Schaden fachgerecht repariert wurde.
Der Kläger hatte vom Beklagten einen seinerzeit sieben Jahre alten Pkw mit einer Laufleistung von 122.000 km zum Preis von 10.500 EUR gekauft und dabei auch einen Gewährleistungsausschluss vereinbart. Zugleich hatte der beklagte Verkäufer dem Kläger zugesichert, dass das Fahrzeug keinen Unfallschaden erlitten habe, solange es im Eigentum des Beklagten war, und dass mit Ausnahme eines Schadens an der Frontstoßstange keine weiteren Beschädigungen vorlägen. In der Folgezeit wurde der Pkw nach einem Unfall begutachtet, wodurch sowohl verschiedene unreparierte als auch reparierte Vorschäden festgestellt wurden. Daraufhin focht der Kläger den Kaufvertrag an und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises.
Die Klage auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung hatte überwiegend Erfolg. Das LG sah im Verhalten des Beklagten eine arglistige Täuschung. Demnach besteht für den Verkäufer eines gebrauchten Kraftfahrzeugs die Verpflichtung, den potentiellen Käufer auch ungefragt auf bekannte Mängel oder frühere Unfallschäden hinzuweisen - und zwar selbst dann, wenn der Schaden fachgerecht repariert wurde. Eine Ausnahme gilt nur für sogenannte Bagatellschäden - also ganz geringfügige äußere Schäden, beispielsweise im Lack. Angesichts der Reparaturkosten von mehr als 5.000 EUR lag eine solche Ausnahme hier jedoch nicht vor, so dass eine Aufklärung des Klägers über diesen Unfallschaden geboten gewesen war. Weil dem Beklagten aber dieser frühere Unfallschaden auch tatsächlich bekannt war, handelte er zudem sogar arglistig, als er den Käufer nicht darüber informierte.
Hinweis: Der Käufer muss in einem Prozess beweisen, dass er vom Verkäufer arglistig getäuscht wurde. Der Nachweis ist erbracht, wenn der Verkäufer zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer bei wahrheitsgemäßer Information den Vertrag nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt oder zu diesem Preis geschlossen hätte.
Quelle: LG Coburg, Urt. v. 24.09.2020 - 15 O 68/19
zum Thema: | Verkehrsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2021)